Jan Ullrich hat am Montag auf einer Pressekonferenz in Hamburg seine Radsport-Karriere für beendet erklärt. Der in der Schweiz lebende ehemalige Tour-de-France-Sieger will jedoch dem Radsport erhalten bleiben. "Ohne Radsport kann ich nicht leben. Ich will mit dem Team 'Volksbank' aus Österreich zusammenarbeiten, das mich auch als Fahrer verpflichtet hätte", so Ullrich auf der Veranstaltung.
Der unter Dopingverdacht stehende 33-Jährige bestritt weiterhin jede Form von Sportbetrug. "Ich habe in meinem Leben niemanden betrogen", so der einzige deutsche Sieger bei der "Großen Schleife". Seine Funktion beim "Team Volksbank" sei eine gemischte. Ullrich wolle "als Berater, Werbeträger und Repräsentant" seine 20-jährige Erfahrung einbringen. Ferner sei er "offen für alles", könne sich vorstellen, in vielen Bereichen des Radsports zu wirken. Das "Team Volksbank" ist ein Team aus der zweiten Kategorie, nimmt also nicht an den großen Rundfahrten teil.
Ullrich, der beim Verlesen seiner Erklärung keine Fragen zuließ, machte deutlich, dass eine Fortsetzung seiner 1995 begonnenen Profi-Laufbahn durchaus im Bereich des Möglichen lag. "Ich habe weiter trainiert, ich bin fit und hatte sieben Angebote vorliegen, darunter auch von ProTour-Teams", sagte der frühere Rostocker, der wegen angeblicher Verwicklungen in den Dopingskandal um den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes zunächst von der Tour 2006 ausgeschlossen und am 21. Juli vom T-Mobile-Team fristlos entlassen worden war. Ullrich wird vorgeworfen, über Jahre bei Fuentes manipulierte Blutkonserven und diverse Doping-Mitteln erstanden zu haben. Zurzeit ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Betrugsverdacht zum Nachteil seines früheren Arbeitgebers T-Mobile. In der Schweiz steht ein Sportgerichtsverfahren des nationalen Radsport-Verbandes Swiss Cycling im Raum.
Jan Ullrich präsentierte sich in Hamburg dennoch relativ souverän und gelöst. Er stellte zunächst seine Begleiter vor, seine Familie war nahezu komplett anwesend. Zunächst folgte ein Rückblick, indem der Tour-Sieger von 1997 vor allem die Radsportverbände wie den Weltverband UCI ("ein schwacher Verein") oder den Schweizer Verband heftig kritisierte, aber auch seine Kritiker wie den Heidelberger Doping-Experten Professor Werner Franke (Ullrich: "ein zerstreuter Professor, der sich selbst disqualifiziert hat") oder den den deutschen Verbandspräsidenten Rudolf Scharping ("Ich habe ihn seit zwei Jahren nicht gesehen, er tut dem deutschen Radsport nicht gut").
Alle Anschuldigungen gegen seine Person wies er zurück. "Warum gibt es kein Material? Warum wurde sei acht Monaten kein Verfahren gegen mich eröffnet?" Ullrich findet die Vorgehensweise der Ermittler in Spanien ("Operacion Fuentes") "total schwach". "Ich durfte keine Stellungnahme abgeben wie Ivan Basso in Italien", ergänzte der 33-Jährige, der sich zwischenzeitlich "wie ein Schwerverbrecher" gefühlt hätte. Weder er noch seine Anwälte hätten Einsicht in die Vorgehensweise der Ermittler. Berichte seien gefälscht worden. Mit den Ermittlern in Bonn wolle Jan Ullrich jedoch jederzeit kooperieren.
Der Ausschluss vor einem Jahr bei der Tour de France, zwei Tage vor dem Prolog, sei für ihn "ein Schock, den ich bis heute nicht ganz verkraftet habe." Der gebürtige Mecklenburger sei in der Form seines Lebens gewesens und habe danach jeden Tage "neue Rekorde in meinem Pool geschwommen". Auch die folgenden Wochen und Monate mit der Durchsuchung seiner Privathause "seien nicht einfach gewesen". Aber er und seine Frau "haben auch das überlebt".
Optimistisch blickt Jan Ullrich in die Zukunft. Die Beendigung seiner Laufbahn sei keine schlechte, sondern eine "tolle Nachricht". "Freunde, die es ehrlich mit mir meinen", hätten den Radprofi in den vergangenen Monaten beraten und bei seiner Entscheidungsfindung geholfen. Voller Tatendrang will Jan Ullrich nun die anstehenden Aufgaben angehen. Die größten Erfolge während seiner Laufbahn waren neben dem Tour-Sieg 1997 unter anderem der Olympiasieg 2000 in Sydney und die beiden WM-Titel im Zeitfahren 1999 und 2001.