Re-Cap, Best of – WM 2018
Wenn Bands nichts mehr zu bieten haben, bringen sie ein Best of Album raus. Aus ähnlicher Motivation findet ihr im Folgenden einen kleinen Rückblick unseres Ausflugs zur WM in Russland mit meinem All-Time-Favorite Spiel Peru vs. Dänemark.
In der Vorbereitung zum wohl für einige Zeit letzten Turnier mit in Schaaren angereisten Zuschauern, gab es viele Freunde, die zwei Jahre zuvor gerne mit nach Frankreich gekommen sind, für die Moskau eine Reise zu sein schien, die einmal Rund-Um-Die-Welt geht. Der Hinweis, dass man kaum länger im Flieger nach Moskau sitzt, als nach Mallorca, konnte nur einen Teil davon überzeugen, dass Russland nicht am Ende der Welt ist und unsere Kreditkarten dort so funktionieren, wie an jedem anderen Ort dieser Welt auch. Mit unserer aus 4 Jungs bestehende Kern-Reisegruppe sollte unsere Reise zum 1. WM Wochenende von Donnerstag Morgen bis Montag Morgen dauern.
Zwischen Moskau und dem knapp 1000 km entfernten Saransk wohnten wir folgenden Spielen bei:
Russland vs. Saudi-Arabien 5:0 (2:0)
Dänemark vs. Peru 1:0 (0:0)
Deutschland vs. Mexiko 0:1 (0:1)
Tag 1 – Ankunft Moskau
Nach frühem Start am Donnerstag Morgen und zügiger Einreise am Moskauer Flughafen, bezogen wir unsere Unterkunft, dachten wir. In der Unterkunft angekommen, sagte man uns, dass trotz booking-Buchung der Laden voll sei. Es gibt in einer anderen Ecke der Stadt einen Neubau, dort sind unsere zwei Zimmer reserviert. Einige können sich vllt. noch daran erinnern, jeder der zur WM oder unabhängig davon in Moskau war, weiß was es dort heißt, „im anderen Teil der Stadt“.
Donnerstag, 14. Juni, 18:00 Uhr, Luschniki Stadion, Moskau
WM Eröffnungsspiel
Russland vs. Saudi-Arabien 5:0 (2:0)
Zuschauer: 78.011 (ausverkauft)
WM-Auftakt im Saudischen Block
Im Stadion angekommen, fanden wir uns im Gäste Block der Saudis wieder. Nach dem Robbie Williams sein Ständchen geträllert hatte, ging die WM endlich los. Etwas enttäusch von der eigentlich großartigen russischen Hymne war der sportliche Wert des Spiels nicht weiter erwähnenswert.
Ich glaube es war Robbie Williams
Nach dem Spiel fanden wir uns in der bekanntlich guten Moskauer Club-Szene wieder. Da kurz nach Mitternacht es schnell wieder hell wird und bald auch schon die Sonne aufgeht, obwohl die Uhr noch von tiefer Nacht spricht, war die Müdigkeit ab zwei Uhr wie weggeblasen. Widerankunft in unserer Unterkunft in den frühen Morgenstunden.
Tag 2 – Film und Fernsehen & der Nachtzug nach Saransk
Beim ersten Augenaufschlag am Freitag Morgen merkte ich nochmal, dass unser Zimmer, welches ein Etagenbett, sowie eine weiteren Quadratmeter für genau zwei Rucksäcke beinhaltete auch keine Fenster und keine Lüftung hatte. Beim japsen nach Luft nahm ich zusätzlich wahr, wie mein Körper von seinen obersten Atemwegen bis zum kleinen Zeh ausgetrocknet war. Nach dem lustigen ersten Abend nahmen wir das Ganze mit Humor und machten uns auf in Richtung Innenstadt.
Dort hatten wir, der Eine oder andere aus dem Forum kann sich vielleicht an unseren kleinen Auftritt bei Sat1 und Welt noch erinnern , unseren Filmdreh. Auf diesen Filmdreh wurden am Moskauer Flughafen am Donnerstag angesprochen. Im Fernsehen sind wir letzten Endes lustig weggekommen. Wie bezahlt man uns Deutschland-Fans nach gelungenem Fernseh-Auftritt? Genau mit Bier.
Abfahrt mit dem Nachtzug nach Saransk 3:00 Uhr, Fahrtzeit ca. 9 Stunden
Gemütlicher als es vielleicht aussieht auf dem Bild.
Die Nachtfahrt im gemütlichen 4-Bettzimmer sollte um 3 Uhr starten. Wie den meisten noch bekannt, waren die Zugfahrten zwischen den Spielorten kostenfrei, sofern man ein Ticket für das Spiel am Zielort hatte. Für uns eine Win-Win-Situation. Die Zeit war so gewählt, dass wir vorher feiern gehen konnten und wir konnten die sportlichen Übernachtungspreise, die am Wochenende aufgerufen wurden, umgehen. Nach dem es zusätzliche Zeit gekostet hatte alle vier Protagonisten von der Tanzfläche zusammen zu trommeln, fanden wir uns pünktlich wieder im Zug Moskau->Saransk.
Tag 3 – The Day of the Day für mein Fußball-Herz
Ankunft in Saransk zur Mittagszeit.
Am Vortag in Moskau (und damit erzähle ich kaum jemandem hier etwas Neues) waren wir schon überwältigt, wie viele Südamerikaner die russische Hauptstadt bevölkern. Neben unserem Handgpäck gehörte ein kleiner Fußball zu unserer Reiseausstattung. Immer dann wenn wir nichts zu tun hatten, wurde dieser ausgepackt und gespielt. 1 Minute später: unzähliger Südamerikaner waren teil unseres Spiels.
In Saransk angekommen, weiße Trikots mit roten Streifen soweit das Auge reicht. Von einer Peruanischen Invasion zu sprechen, würde dem was wir an diesem Samstag miterleben nicht annähernd gerecht werden.
Auf dem Weg ins weite Rund – Peruaner, Peruaner, Peruaner
Der Super-Fan Nr. 1:
Erste Amtshandlung am Zielbahnhof, Abgabe unserer Rucksäcke. Da waren wir nicht die Einzigen.
Ein Fan in der Reihe direkt vor, der zwei Koffer abgibt. Am Kofferschild erkenne ich seine Flugroute:
Peru -> New York -> Barcelona -> Berlin -> Moskau
Auf meine Frage, dass er ziemlich lang unterwegs gewesen sei, antwortete er leicht erschöpft, aber glücklich: „Ja, 26 Stunden Flugzeit und die Direkt-Züge nach von Moskau waren ja sofort ausgebucht. Als Sahnehäubschen somit nochmal 17 Stunden Zugfahrt.“ Nach einem netten Plausch kamen meine Freunde zurück. In diesem Moment fiel mir auf, dass die Mitreisenden meines Gesprächspartners, Frau, Tochter und Sohn waren. Was soll man sagen, ein geiler Familien-Urlaub. Darüber hinaus war es am heutigen Tage auch keine Seltenheit, dass peruanische Opis und Omis im Rolli von ihrer Familie ins Stadion geschoben wurden.
Der Super-Fan Nr. 2:
In einem weiteren Gespräch erzählte mir ein Peruaner, dass er seit zwei Wochen unterwegs ist. Auf meine Anmerkung, dass die Fan-ID erst seit einigen Tagen gültig ist, erklärte er mir, dass er kein Geld hatte nach Moskau zu fliegen und stattdessen mit dem Schiff angereist ist und vor über zwei Wochen in Peru startete.
Samstag, 16. Juni, 18:00 Uhr, Mordwinien, Saransk
Dänemark vs. Peru 1:0 (0:0)
Zuschauer: 40.502 (ausverkauft)
Leider lassen sich Gesang und Stimmung noch nicht in 2-Dimensionalen Bilder wiedererkennen
Von Minute zu Minute steigerte sich meine Gänsehaut und es wurde immer deutlicher, dass die 1. Qualifikation seit 32 Jahren dazu geführt hatte, dass die Peruaner hier mit Mann, Maus, Kind & Kegel und allem angereist sind was irgendwie nach Russland bewegt werden konnte.
Der Super-Fan Nr. 3:
Abschließendes Tageshighlight vor dem Stadion war ein älterer Herr, der uns sagte, sein Haus verkauft zu haben, um bei der Nationalmannschaft an diesem Wochenende dabei zu sein.
Im Stadion war dann alles wie gehabt. Unser kleiner Gästeblock war umgeben von weit über 40.000 Peruanern. Mitte der 1. Halbzeit ertönt der Elfmeter-Pfiff (nach VAR) für das Peruanische Team. Jetzt ticken die Menschen um uns herum völlig aus. Bei aller dänischen Freude über den nicht verwandelten Elfmeter und den Siegtreffer durch Poulsen in der 2. Halbzeit, habe ich mit den enthusiastischen Peruanern mitgefühlt. Der Stimmung im und insbesondere nach dem Spiel tat das Ganze kaum einen Abbruch.
Wer ins Niemandsland nach Saransk fährt muss auch wieder zurück. Gleiches Prozedere, wie auf der Hinfahrt. Abfahrt in Saransk um 3:00 Uhr mit vorherigem Aufenthalt in einem Club bestehen aus Peruanern und Russen, für die es total spannend war Gäste aus der weiten Welt zu haben.
Kurz vor 3:00 Uhr im Bahnhof von Saransk. Unbezahlbare Unterkunftspreise und ausgebuchte Züge, ließen die meisten der 40.000 im Bahnhof nächtigen.
Tag 4 – Deutschland vs. Mexiko
Pünktlich um 12 Uhr laufen wir wieder in Moskau ein.
Da viele von euch ebenfalls dort waren, will ich gar nicht viele Worte über das Spiel verlieren. Mit einem Faktor leicht kleiner als 1, eine Kopie des Vortages. Wenige Europäer und Mittelamerikanern die völlig außer Rand und Band waren. Unvergessen nicht nur die Stimmung nach dem Sieg gegen den amtierenden Weltmeister, sondern auch die wahrscheinlich tausenden von Mexikanern vor dem Stadion, die noch Tickets haben wollten.
Sonntag, 14. Juni, 18:00 Uhr, Luschniki Stadion, Moskau
Deutschland vs. Mexiko 0:1 (0:1)
Zuschauer: 78.011 (ausverkauft)
Ich hatte am heutigen Tag ein Toni Kroos Trikot an. Nach dem Spiel wurde ich von einem Anfang 20 Jährigen Mexikaner angesprochen. Er erzählte mir, dass Toni Kross sein großes Vorbild sei und fragte, ob wir ein Foto zusammen machen könnten. Ich erklärte ihm, dass ich nicht Toni Kroos himself bin, trotzdem fand er ein Foto total super. Er freute sich doppelt, als wir für das Bild die Trikots tauschten. Das Mexikanische Shirt war sichtlich verschwitzt und ein bisschen zu klein. Als ich ihm sagte, dass wir keinen Rücktausch brauchen, wurde ich zehn Sekunden umarmt (heute kaum zu glauben, aber damals war das noch so), der Mexikaner bedankte sich ein halbes Dutzend Mal und versicherte mir, dass er mir das niemals vergessen würde.
Tag 5 – Abreise
Fazit
Vielleicht kann man Glück im Leben daran messen, wie ehrgeizig und enthusiastisch (oder ggf. lustlos) man seinen Hobbies nachgeht. Wenn wir dieses Maß als Gradmesser ansetzten, sollten die südamerikanischen Fans, welche bei der WM erleben durften, auf der Skala des glücklichen Lebens sehr weit oben stehen.
Zwei Wochen später haben wir übrigens in Kaliningrad noch das Spiel England gegen Belgien gesehen. Die Stimmung hier war nicht besser als in einem deutschen 2. Liga Stadion.
Man kann nur hoffen, dass die Pandemie Zeit irgendwann sein Ende findet, so dass es irgendwann wieder die Möglichkeit gibt Süd- und Mittelamerikaner bei einer WM antreffen zu können.