Hertha hat einen sehr starken Start hingelegt: Platz vier. Maßgeblich beteiligt Josip Simunic (30). Der Verteidiger erklärt den Aufschwung, wie er sich verändert hat und wen er für wichtig hält.
"Hertha kann Pantelic nicht ersetzen"
kicker: Ihr Mitspieler Cicero sagt, Hertha müsse an den Titel denken. Macht das Sinn, Herr Simunic?
Simunic: Träumen gehört dazu, ich träume auch gern. Aber vom Titel sollten wir nicht reden, auch nicht von der Champions League
kicker: Warum nicht - angesichts des besten Berliner Saisonstarts seit acht Jahren und Platz vier?
Simunic: Ich bin seit neun Jahren bei Hertha, wir waren in dieser Zeit öfter auf dem Sprung nach oben. Am Ende sind wir dann jedes Mal eingebrochen. Wir haben diesmal vor der Saison einen UEFA-Cup Platz als Ziel ausgerufen. Das jetzt zu korrigieren macht keinen Sinn.
kicker: Warum nicht?
Simunic: Es ist zu früh. Wir haben viele junge Spieler. Ich weiß nicht, ob die damit klarkämen, wenn wir jetzt den Druck erhöhen. Wir sind auf dem Weg zu einer Spitzenmannschaft. Wir sind aber noch keine.
kicker: Was fehlt noch?
Simunic: Wir müssen mehr Torchancen kreieren und mehr Tore schießen. Defensiv stehen wir stabil, offensiv müssen wir uns steigern.
kicker: Trauen Sie dem Aufschwung noch nicht?
Simunic: Ich gebe zu, daß ich etwas überrascht bin. Ich dachte im Sommer, daß wir Probleme kriegen. Aber da habe ich mich getäuscht.
kicker: Warum ist Hertha in dieser Saison stärker als gedacht?
Simunic: Wir sind taktisch besser als vor einem Jahr, wir sielen jetzt schlauer. Solche engen Partien wie gegen Hoffenheim oder den HSV zu gewinnen, zeigt eine neue Qualität. Ich finde das beeindruckend.
kicker: "Ich sehe jetzt nicht unbedingt, daß es besser wird." Und: "Bei uns werden immer die gleichen kritisiert. Damit wird von anderen entscheidenden Problemen abgelenkt." Das sind Sätze aus dem April. Wissen Sie, von wem?
Simunic: Vermutlich von mir.
kicker: Genau. Ist jetzt alles anders?
Simunic: Ich war damals sehr frustriert, weil wir auf der Stelle traten. Jetzt sehe ich eine Entwicklung. Die momentane Phase genieße ich.
kicker: Sie hatten zwei durchwachsene Jahre, spielen aber seit Saisonstart wieder auf Top-Niveau. Können Sie uns das erklären?
Simunic: Ich bin lockerer geworden und konzentriere mich nur noch auf meinen Job. Ich habe eine gute EM gespielt, meine Fitness stimmt. Aber das reicht mir noch nicht. Ich will noch besser werden.
kicker: Sie sind 30 ...
Simunic: Man kann sich immer verbessern auch mit 35.
kicker: Das sagt auch ihr Trainer Lucien Favre. Welchen Anteil hat er am Erfolg?
Simunic: Großen Anteil. Wenn man ihn in Ruhe arbeiten lässt, sieht man, was dabei herauskommt. Er brauchte am Anfang etwas Zeit um Berlin kennenzulernen.
kicker: Brauchte er auch Zeit um Sie kennenzulernen?
Simunic: Ja. Lucien Favre hatte am Anfang ein anderes Bild von mir. Als er im Sommer 2007 kam, kritisierte er mich - das war berechtigt. Ich hatte damals nicht die physische Verfassung die nötig war.
kicker: Spüren Sie jetzt Vertrauen?
Simunic: Ich spüre, daß der Trainer mit mir zufrieden ist.
kicker: Sie hatten eine Phase, in der Sie in sieben Monaten vier Platzverweise kassierten und sich im Training Handgreiflichkeiten mit Pal Dardai lieferten. Jetzt sagt Manager Dieter Hoeneß, Sie seien "ruhiger und konzentrierter geworden". Erleben wir einen neuen Simunic?
Simunic: Ich habe mich damals ablenken und von Kleinigkeiten runterziehen lassen. Und wenn man sauer ist macht man Fehler. Es tut mir leid, was passiert ist. Ich stand mir manchmal selbst im Weg.
kicker: Wie kanalisieren Sie Ihren Frust jetzt?
Simunic: Ich bin ausgeglichener als früher. Ich denke anders, positiver, konstruktiver. Das war ein langer Prozess. Aber die jungen Spieler schauen auf mich, auf Arne Friedrich, auf Marko Pantelic: Unser Verhalten löst eine Kettenreaktion aus. Ich bin mir meiner Verantwortung inzwischen mehr bewusst.
kicker: Ihr Vertrag beinhaltet eine Ausstiegsklausel: Wenn im Sommer ein anderer Klub sieben Millionen Euro Ablöse für Sie gezahlt hätte, hätten Sie Hertha verlassen können. Wollten Sie weg?
Simunic: Nein, tief in meinem Innersten wollte ich nie weg. Und ich bin froh, daß ich geblieben bin.
kicker: Ist der Traum von der Premier League damit geplatzt?
Simunic: Nein. England fasziniert mich nach wie vor. Ich träume immernoch von einem Wechsel dorthin. Aber ich muss es nicht erzwingen, wenn es nicht passt. Ich kann mir auch vorstellen, für immer bei Hertha zu bleiben.
kicker: 2011 endet Ihr Vertrag. Ist dann Schluss?
Simunic: Oh, nein. Zwei, drei Jahre mehr sollen es noch werden.
kicker: 2009 laufen die Verträge von Arne Friedrich und Marko Pantelic aus. Wie wichtig ist es, die beiden in Berlin zu halten?
Simunic: Über Arne müssen wir nicht reden. Er ist ein Leader, er verkörpert Hertha und spielt im Abwehrzentrum eine starke Saison.
kicker: Und Pantelic?
Simunic: Er ist ein extravaganter Typ, aber er gibt immer 100 Prozent. Marko ist da, wenn wir ihn brauchen. Ihn kann Hertha nicht ersetzen. Deshalb sollte der Klub alles versuchen, um ihn zu halten.
Quelle: kicker-Printausgabe 20.11.2008
