ich ärgere mich ja bekanntlich weiterhin über das ticketsystem... und endlich gibt es mal zwei wm-ok kritische artikel in deutschen zeitungen..., freitag in der welt und am sonntag in der wams... FYI
Ticket-Urteil gilt nur für Einzelfall
Gericht: DFB muß ersteigerte WM-Eintrittskarten umschreiben
Die Hoffnung vieler Fußball-Fans erfüllte sich nicht. Zwar hat das Amtsgericht Frankfurt jetzt entschieden, daß der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in einem Einzelfall zwei im Internet ersteigerte WM-Tickets auf den Namen des Käufers umschreiben muß - Grundsatzcharakter hat das Urteil jedoch nicht. "Der DFB muß nicht generell der Übertragung von Tickets, die über Auktionen oder auf sonstige Weise erworben wurden, zustimmen", sagt Gerichtssprecher Bernhard Olp. Das Urteil (Aktenzeichen: 31 C 3120/05-17) habe keine Wirkung über diesen Fall hinaus.
Ein Fußballfan aus Essen, der im September 2005 bei Ebay zwei Viertelfinal-Karten für 880 Euro ersteigert hatte, hatte den DFB und das WM-Organisationskomitee verklagt, weil sie sich geweigert hatten, die Tickets auf ihn umzuschreiben. Das WM-OK habe damit den Handel mit Tickets zu überhöhten Preisen verhindern wollen.
In seiner Begründung erklärte jedoch Amtsrichter Jens Rüger, daß das Interesse des Verbandes, den Schwarzhandel zu unterbinden, zwar schützenswert sei. Allerdings wiege das Interesse des Käufers höher. Dabei spiele der Zeitpunkt des Erwerbs eine große Rolle, sagte Rüger. Denn als der Käufer die Eintrittskarten erwarb, habe dieser noch nichts von einer Tauschmöglichkeit wissen können und angesichts der allgemeinen Geschäftsbedingungen des DFB keinen Anspruch beispielsweise auf einen Weiterverkauf gehabt.
Ob der DFB gegen das Urteil Berufung einlegt, ist noch offen. Allerdings sagte Sprecher Jens Grittner unmittelbar nach der Entscheidung: "50 Tage vor dem Anpfiff müssen wir die WM aus den Gerichtssälen herausverlagern."
"Auch wenn die genaue Urteilsbegründung noch nicht vorliegt: Das Urteil ist eine Niederlage für den DFB", sagte Rechtsanwalt Michael Terhaag von der Kanzlei Withöft und Terhaag. Er rechnet nicht damit, daß der DFB in Berufung gehen wird, zudem werde die Zeit bis zum WM-Start am 9. Juni knapp. Im Gegenteil: "Ich erwarte sogar, daß der DFB und das WM-OK klein beigeben und ihre Vergabe-Praxis ändern", sagte Terhaag. Andernfalls drohe eine Prozeßflut.
Das sieht der Hamburger Rechtsanwalt Jörg Dittrich, der den Essener Fußballfan vor Gericht vertreten hatte, ähnlich. Wer WM-Tickets etwa über Ebay kaufe, habe "gute Chancen", vor Gericht erfolgreich zu sein, sagte Dittrich. Das Urteil habe auch künftig Einfluss "auf Tausende ähnliche Privatverkäufe". Die Tauschbörse schaffe keinen gerechten Ausgleich.
Die Ende März eingerichtete offizielle Tauschbörse ist sehr umstritten: Die Kriterien für eine Übertragung gelten als streng. Innerhalb der Familie, bei Krankheit oder Tod des Bestellers wird eine Namensübertragung vorgenommen, außerdem bei höherer Gewalt oder "einem sonstigen Härtefall". In Einzelfällen kann das Organisationskomitee entsprechende Belege anfordern.
Heino Reents
Artikel erschienen am 23. April 2006; Welt am Sonntag
Angst vor leeren Sitzen
Kommentar
Noch knapp 50 Tage sind es bis zum Start der Fußballweltmeisterschaft, und immer stärker rücken die wirtschaftlichen Dimensionen des Turniers in den Mittelpunkt. Die nationalen und internationalen Sponsoren starten ihre Werbekampagnen und verteilen ihre Ticketkontingente in zuweilen homöopathischen Dosen unters Volk. Immer deutlicher wird, daß neben der Sicherheitsfrage die Verteilung der Eintrittskarten eine wesentliche Rolle dabei spielt, ob die WM auch aus internationaler Sicht als Erfolg gelten wird. Leere Ränge und gleichzeitig enttäuschte, ja erboste Gäste aus Deutschland und aller Welt, die keinen Zugang zu den Stadien bekommen - das wäre fatal.
In diesem Zusammenhang zeigt das Urteil des Frankfurter Amtsgerichts in die falsche Richtung. Zwar bekam der Kläger Recht, der eine Karte über das Internet-Aktionshaus Ebay - also auf dem Schwarzmarkt - erworben hatte und darauf bestand, daß der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Eintrittskarte auf seinen Namen umschreibt. Allerdings hatte der Mann das Ticket zu einem Zeitpunkt erworben, als es das offizielle Internetportal zum Weiterverkauf noch nicht gab. Alle späteren Transaktionen haben keine Chance auf Gleichbehandlung. Wer also jetzt bei Ebay oder sonstwo zuschlägt, muß mit der Gefahr leben, daß ihm am Stadion bei den Stichprobenkontrollen der Zutritt verwehrt wird. Ein Risikofaktor, der den Handel erschweren dürfte. Nur Hasardeure werden sich darauf einlassen, nach den Regeln der Marktwirtschaft dürfte das maßgeblichen Einfluß auf die Preise haben.
Nun hatte das Organisationskomitee mit einem sehr komplizierten Vergabeverfahren schon dafür gesorgt, daß sich keine Privat- person mit größeren Kartenkontingenten eindecken konnte. Ein gewerbsmäßiger Schwarzhandel wurde so praktisch ausgeschlossen; wer jetzt als Verkäufer an den Markt heran-tritt, ist in meist Einzelverkäufer. Warum dieser aber nun nicht mit der von ihm erworbenen Ware so handeln darf, wie mit jedem anderen Gut auch, ist nicht einzusehen. Angeführt wird das Argument der Sicherheit, das sich aber schnell in sein Gegenteil verkehren könnte: Nämlich dann, wenn die Fernsehbilder leere Sitzreihen zeigen und gleichzeitig Fans der Einlaß verwehrt wird.
Jörn Lauterbach
Artikel erschienen am Fr, 21. April 2006; Die Welt