Hat die schon jemand und kann was dazu sagen?
Sehr interessanter Bericht aus der FAZ:
"Expedition in bebende Fankurven und pralle Pralinenschachteln
11.500 Flugkilometer für 90 Minuten Fußball. Einer Gesellschaft zwischen Klimaschutz und Benzin-Wut ist diese CO2-Bilanz nur schwer zu vermitteln. Aber Jörg Heinisch und Carlo Farsang sind Groundhopper – manche Menschen sammeln Bierdeckel, Groundhopper besuchen Fußballspiele in allen Winkeln der Erde. Für ihr jüngstes Projekt sind Farsang und Heinisch durch die Stadien von Argentinien getingelt. Von Buenos Aires bis in die Pampa und zurück. Immer griffbereit: die Videokamera. Entstanden ist ein Film über die mitreißende Fußballszene Südamerikas. „Futbol Fanatico“ – ein 174-minütiger Ausflug in bebende Fankurven.
Carlo Farsang hat in den vergangenen zehn Jahren Fußballspiele in mehr als 100 Ländern gesehen. Der Mann aus dem Schwarzwald hat alle 50 Landesverbände der Uefa bereist (also auch Staaten wie Weißrussland und die Färöer-Inseln). Er ist mit dem Fahrrad durch Burkina Faso und Mali gefahren, um das afrikanische Derby Sahel SC Niamey gegen Old Niamey live zu erleben – und er hat sich mit seinem Freund Jörg Heinisch, einem Frankfurter, auf den Weg in die Heimat von Diego Maradona und Lionel Messi gemacht.
Leidenschaft dokumentieren
Und doch stehen nicht die Ballkünstler, sondern deren Bewunderer im Fokus der Kamera. Der Film soll etwas dokumentieren, was kaum in Videoformaten festzuhalten ist: Leidenschaft für den Fußball. Mit dem Rücken zum Spielfeld – sozusagen aus der Ordner-Perspektive – fängt das deutsche Duo Bilder ein, die aus einem parallelen Fußballuniversum zu stammen scheinen, so extrem sind die Eindrücke. Als Groundhopper interessieren sich Farsang und Heinisch für Fan-Choreographien, Gesänge und Rituale. Sie tauchen ab in der Zuschauermasse, werden zum Teil der lokalen Fankultur.
Nicht immer ist der Spaß ungefährlich: „Unter den Anhängern sind viele, denen Videoaufnahmen nicht passen – erst recht nicht in ihrem Gebiet. Ohne Vorwarnung können Situationen umschlagen, wenn man als Fremdkörper ausgemacht wird“, erzählt Heinisch, der am Frankfurter Flughafen arbeitet und nebenbei Bücher über Eintracht Frankfurt schreibt. Ihre Kameras haben Heinisch und Farsang teilweise in der Unterhose zwischengelagert, um sie ins Stadion zu schmuggeln. Wurde eines der Aufnahmegeräte am Eingang konfisziert, griff Plan B: ein umgenähter Kulturbeutel mit Geheimöffnung und versteckter Kamera. No risk, no fun.
14 Spiele innerhalb von neun Tagen
Wer in Argentinien, einem Staat mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von 3700 Kilometern, innerhalb von neun Tagen 14 Spiele besucht, muss einiges riskieren. Einige Orte sind nur per Flugzeug oder Fernbus zu erreichen. Groundhopping ist der Versuch, möglichst viele Fußballplätze in möglichst vielen Mitgliedstaaten der Fifa zu besuchen. Jedes Ligaspiel bringt Punkte für das persönliche Ground- und Länderkonto, jeder Ausflug neue Erfahrungen. Wer 300 „grounds“ (der englische Ausdruck für Sportplätze) oder Spiele in mindestens 30 Ländern gesehen hat, erfüllt die Aufnahmekriterien der „Vereinigung der Groundhopper Deutschlands“. Bisher umfasst die Mitgliederkartei der Vereinigung 75 Fußballtouristen. Farsang und Heinisch belächeln die europäischen Multifunktions-Arenen mit beheiztem Rasen, Videowürfel und Schiebedach.
Für Heinisch sind die Neubauten der europäischen Topvereine „Supermärkte“, Vermarktungsinstrumente eben, nicht zu vergleichen mit den Arenen Argentiniens oder Brasiliens, die eher an legendäre Orte wie den Gladbacher Bökelberg erinnern. Der Bökelberg wurde längst abgerissen, auf der Südhalbkugel stehen sie noch, die Monumente der Fußballkultur. Sie heißen nicht Commerzbank-Arena oder Easy-Credit-Stadion, sondern „Bombonera“ (Pralinenschachtel) oder Maracana und in jeder Silbe ihres Namens schwingt Tradition mit.
Kameramann auf dem Tribünendach
Freunde der Stadionarchitektur kommen mit „Futbol Fanatico“ voll auf ihre Kosten – Baustatikern dürfte dagegen der Schweiß ausbrechen beim Anblick der Tribünen, die unter der Last der hüpfenden Fans zu zittern scheinen. Als Kameramann auf dem Tribünendach machte Heinisch eine besondere Erfahrung: „Das Dach wippte stark, wenn auf den Rängen gesprungen wurde.“ Bauliche Mängel sind allgegenwärtig: beim Einsturz einer brasilianischen Tribüne sind Ende November des vergangenen Jahres acht Zuschauer ums Leben gekommen. Scheinbar im Widerspruch steht das Motto des Films: „Futbol es vida“, Fußball ist Leben. Und so ist es fast eine Gesellschaftsstudie, wenn das Duo Fans filmt, die auf Sitzplatztribünen tanzen, aus vollem Hals singen und weinend die Hände vor das Gesicht legen, obwohl ihre Mannschaft gewinnt. Die gesellschaftliche Spannung Argentiniens entlädt sich im Fußballstadion. Ein Blick in die Gesichter der Fans verdeutlicht die Ventilfunktion des Fußballs. Manchmal allerdings eskaliert die Stimmung in Gewaltexzessen zwischen den Anhängern.
Verachtung und Verehrung liegen dicht beieinander. Nirgendwo werden Fußballspieler so gefeiert wie in Argentinien. Beim „superclássico“ dem Stadtduell zwischen Boca Juniors und River Plate Buenos Aires, verschwinden die Tribünen für Minuten hinter einem Konfettivorhang. „Selbst wenn die eigene Mannschaft hoffnungslos zurückliegt, nimmt die Unterstützung von den Rängen nicht ab“, sagt Heinisch. Trommeln geben den Rhythmus vor, die melodischen Gesänge über mehrere Strophen bleiben im Gedächtnis – auch, weil der Film ohne jeden verbalen Kommentar auskommt. Und wieder zeigt sich, dass Bilder mehr sagen als Worte. Das Konzentrat aus 14 Stunden Filmmaterial kann sich sehen lassen – mal abgesehen von der CO2-Bilanz."
Hört sich ja schon Hammer an!
Trailer: http://www.fanabteilung.de/portal/downloads/fftrailer2.wmv
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