Deutschland - Ein Sommermärchen - Das WM-Tagebuch
Wortmann, Sönke
Wenn Jens Lehmann den nächsten Schuss abwehrt, sind wir durch. Man sieht die Angst im Gesicht des Argentiniers. Er läuft an und schießt mit links. Der Ball fliegt halbhoch nach rechts, und Jens springt. Er hat ihn, wir reißen die Arme hoch und rennen los. Wir sind im Halbfinale. Und ich bin mitten in dem Traum, den gerade Millionen in Deutschland träumen, jubelnd auf den Straßen und Plätzen, in Kneipen oder daheim in ihren Wohnungen. Ich laufe auf die Traube von Spielern zu, mit denen ich unter einem Dach lebe, mit denen ich esse, ins Stadion fahre und in die Kabine gehe ...
Ein paar Auszüge aus dem Buch:
...Die Reaktion auf die Vorführung war die gleiche wie in Düsseldorf: keine Reaktion. Hintenrum hörte ich dann aber nach und nach, dass Spieler den Film angeblich super fanden. Nur Bastian Schweinsteiger kam gleich zu mir und sagte: "Das ist der beste Film, den ich jemals gesehen habe." Das fand ich zwar nicht, aber ich freute mich über seinen jugendlichen Überschwang. Oder hatte ich etwa seinen feinen Spott überhört?...
...Im Laufe der Weltmeisterschaft habe ich im Schlosshotel Grunewald viele Zimmer kennengelernt, als ich meine Interviews mit den Spielern gemacht habe, während sie auf ihren Betten saßen. Dabei wurde mir klar, dass die Vergabe der Zimmer der Hierarchie im Team entsprach, die älteren und etablierten Spieler hatten die größten Räume. Die der sportlichen Leitung waren noch größer. Das Zimmer von Bierhoff war riesig, und vielleicht war das von Klinsmann noch größer, ich habe es aber nicht gesehen. Vielleicht hatte der Bundestrainer es jedoch auch wieder zu tauschen versucht. Auf früheren Länderspielreisen hatte ich mitbekommen, dass es ihm peinlich war, die größte Suite des Hotels zu bekommen, und sie gegen ein kleines Zimmer tauschen wollte....
...Vor dem Eröffnungsspiel bat mich Jürgen Klinsmann darum, die Tore aus den Vorbereitungsspielen gegen Luxemburg, Japan und Kolumbien zu einem kleinen Video zusammenzuschneiden. Er hatte sogar eine Musik dazu ausgesucht, die unter die Bilder gelegt werden sollte: "Loose Yourself" von Eminem. Wahrscheinlich gefiel ihm an diesem Song vor allem die Textpassage, in der es darum geht, dass man die große Chance in seinem Leben nicht vergeben soll. "Wenn der Augenblick dir gehört, wäre es besser, du würdest ihn nicht vorüberziehen lassen. So eine Chance bekommst du nur einmal, vermassle sie nicht", hieß es da...
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