Gerade die beiden Beispiele widerlegen doch die These, dass man für Kritik in ne rechte Ecke gedrängt wird.
Gerade bei dem Thema Migrationspolitik gibt es doch wirklich unfassbar viel Kritik an der EU-/Bundesregierungspolitik insbesondere auch von links. Die mag nicht bei jedem gleich laut ankommen, aber das kommt dann eben drauf an, mit was für Medien man sich auseinandersetzt.
Ich habe auch keine Ahnung wie der Diskurs zur Migrationspolitik gerade im Spektrum zwischen NZZ und Compact Magazin aussieht, aber ich gehe mal davon aus, dass er stattfindet und dass es da Tag für Tag darum geht, was für ein Chaos die EU und die Regierung an den Grenzen zulassen und wie sie durch dieses Versagen unseren Staat und unsere Gesellschaft aushöhlen. Genau so gibt es den Diskurs auf dem Spektrum zwischen taz und Jungle World und keine Ahnung was danach noch kommt, in dem es Tag für Tag nur darum geht, dass die EU und Frontex Mörder sind und wie sie durch ihr Versagen unseren Staat und unsere Gesellschaft aushöhlen. Beides darf man sagen und wird jeden Tag umfangreich diskutiert, gibt's genug Medienangebote zu.
Auch Kritik am Atomausstieg wird doch oft und gerne geübt, z.B. im Zusammenhang mit Debatten darüber, wie wir unseren CO2-Ausstoß reduziert bekommen. In meiner Wahrnehmung eher von Wirtschaftsvertretern, aber eben nicht als Links-Rechts-Thema. Und auch da gibt es die Debatte über das "Wie" dieses Beschlusses - das er plötzlich gefällt wurde und nicht weil neue Fakten auf dem Tisch lagen, sondern um schnell auf eine Veränderung der öffentlichen Meinung zu reagieren.
Der Gedanke "man wird in die rechte Ecke gedrängt, wenn man Kritik äußert" ist nachgeplapperter populistischer Quatsch der von rechten Parteien verwendet wird um zu rechtfertigen, warum sie ständig in der öffentlichen Kritik stehen. Man wird als rechts eingeordnet wenn man Meinungen vertritt, die sich rechts der Mehrheit befinden. Das ist dann vielleicht mal unangenehm, aber die Meinungen darf man haben, darf man ausdrücken und darf man auch verfechten. Sollte man auch, zumal es das Phänomen ja durchaus auch gibt, dass einige Übereifrige auf alles, was sie rechts der Mehrheit verorten, ein Hakenkreuz stempeln - ganz so wie es auch Übereifrige gibt, die in allem links der Mehrheit die Wiederkehr von Honecker und Stalin sehen.
Sagen darf man schon fast alles, die anderen nur halt auch. Selbst wenn sie anderer Meinung sind.
Um mal wieder zu Corona zurück zu kommen: Was halt schwer nervt sind irgendwelche Beispiele von anderswo nach dem Motto "Hier bei mir im Urlaub haben aber die Restaurants offen und die sind auch nicht alle tot", oder "da in xy gibt's schon geile volle Stadien und bei uns machen diese Irren immer weiter mit Lockdown". Wenn es irgendein Land gibt, das ein Konzept für großflächige Öffnung hat und das mit Erfolg durchzieht, dann bitte lasst das diskutieren. Ich traue der Bundesregierung durchaus zu, dass sie es schlichtweg verpennt, sich über alle Konzepte auf der Welt zu informieren. Ich habe da selbst sicherlich keinen Überblick. Unter den Ländern die mich interessieren sehe ich viele, in denen es schiefgeht, insbesondere Großbritannien und die ungeimpften Teile der USA, und mit schiefgeht meine ich steigende Hospitalisierungs- und Todesraten. Und dann sehe ich Länder, die es sich nicht leisten können oder nicht leisten wollen, Gastro/Unterhaltung/Tourismus geschlossen zu halten und die deshalb aufmachen - oder Länder, in denen aufgemacht wird, weil die dortige Regierung das als Erfolg verkauft. Das ist für mich das Spektrum für Südosteuropa bis Ungarn. Teilweise haben die auch gute Zahlen, z.B. in Polen (wenn ich richtig informiert bin) - da würde ich schon gerne verstehen wollen, warum das so ist.
Wenn das in diesen Ländern nachvollziehbar funktioniert, ohne das die Hospitalisierungsraten und die Todesraten hochgehen, dann lasst uns das bitte fundiert verfolgen und dann lasst uns deren Erkenntnisse übernehmen. Aber dann bitte wirklich auch fundiert und nicht nach dem Motto "der da drüben macht das schon, ich will das jetzt auch!" Oder, auch schon hier gelesen: "Die haben uns das aber vor Monaten versprochen, ich will das jetzt haben". Dann kritisiert halt, dass ein Versprechen gemacht wurde. Aber kritisiert doch bitte nicht, dass die Realität jetzt Vorrang hat vor der eigenen Erwartungshaltung.