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Mit Herz und Verstand für Tibet - Kölner Stadt-Anzeiger
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Mit Herz und Verstand für Tibet
Der christliche Journalist und Buchautor Franz Alt würdigt den bekanntesten Buddhisten unter der Sonne: Zum 75. Geburtstag des Dalai Lama. Alt kennt den tibetischen Mönch seit über 20 Jahren und outet sich als großer Fan seiner Heiligkeit.
„Mein Alltag sieht genauso aus wie der aller Mönche, Freiheitskämpfer, Politiker und Verwaltungsbeamten“, sagt der Dalai Lama und macht, was er am liebsten tut: Er lacht. Er kann minutenlang lachen. Einen natürlicheren Menschen habe ich nie kennen gelernt. Ein Mensch wie Du und ich. Aber der „Spiegel“ hat ihn in einer Titelgeschichte „Der Gott zum anfassen“ genannt. Welch ein Missverständnis. Darüber kann das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter wiederum lange lachen. Richtig ist freilich, dass er weltweit als weisester und sympathischster Mensch auf Erden gilt. Und in Deutschland höhere Sympathiewerte als der deutsche Papst genießt.
Besonders geprägt wurde der Dalai Lama durch seine Mutter. Eine starke Frau, die als Bäuerin in Feld und Haus arbeitete und 16 Schwangerschaften durchlebte. Ihr Sohn Lhamo Dhondup, der spätere Dalai Lama, träumte schon mit zwei Jahren von einer Reise in Tibets Hauptstadt . „Ama, ich reite mit einem Pferd nach Lhasa“, war einer seiner Lieblingssätze. Von den 15 Geschwistern des Dalai Lama erlebten nur sechs das Erwachsenenalter. Lhamo Dhondup war das neunte Kind seiner Mutter. Sie war bei seiner Geburt 35 Jahre alt. Sein Vater war Bauer und Pferdehändler.
Die Eltern waren - selbstverständlich in Tibet - tief religiös, von ihnen lernte er die buddhistischen Rituale des Alltags: die Gesten und Gebete vor dem Hausaltar, die Besuche in Klöstern, Achtung vor allem Lebendigem. Jeden Morgen hatte die Mutter Butterlampen angezündet und vor dem Hausaltar mit ihren Kindern gebetet. Sie prägte den späteren Dalai Lama viel mehr als der oft jähzornige Vater. Als ich ihn einmal fragte: „Was ist Liebe?“, sagte er: „Das was ich von meiner Mutter gelernt habe.“ In einem seiner Bücher schreibt der „Botschafter des Mitgefühls“, wie ihn die Tibeter gerne nennen: „Bei mir entstand das Mitgefühl durch meine Mutter. Mitgefühl ist die Basis von Gewaltlosigkeit.“
November 1989. Ich traf den Dalai Lama zusammen mit Petra Kelly und Gert Bastian in der Freien Universität Berlin vor 2000 Studenten. Zuvor stand er mit Bärbel Bohley und anderen Bürgerrechtlern der DDR auf der gerade geöffneten Berliner Mauer und erzählt: „Als ich dort oben stand, reichte mir eine alte Frau wortlos eine brennende Kerze. Bewegt hielt ich sie empor. Einen kleinen Augenblick lang drohte die Flamme zu erlöschen, wurde dann aber wieder größer. Und während sich die Menschen um mich scharten und meine Hände berührten, betete ich, dass das Licht des Mitgefühls und des Bewusstseins die Welt erfüllen und die Finsternis der Angst und der Unterdrückung vertreiben möge.“ Diesen Augenblick werde er nie vergessen. Er habe ihn darin bestätigt, dass „auch das Leid, das mein Volk durch die Volksrepublik China erfährt, eines Tages enden wird“.
Dem Dalai Lama gelingt, was Vertretern christlicher Religionen oft schwer fällt: Spiritualität und Wissenschaft, Emotionalität und Rationalität, Herz und Verstand zu vereinen. Er diskutiert sehr oft auf Augenhöhe mit Vertretern moderner Wissenschaft und ist zugleich in Bezug auf alte buddhistische Rituale ein klassischer Traditionalist. Und löst scheinbare Gegensätze glaubhaft auf. Im abendländischen Denken gilt eher das „entweder oder“, in den östlichen Weisheiten eher das „sowohl als auch“. Und was sagt der Dali Lama zu diesen Widersprüchen? Er lacht und sagt: „Wir müssen voneinander lernen. Dann finden wir den Weg zur Einheit in der Vielfalt.“
Seit 50 Jahren lebt der Dalai Lama im nordindischen Dharamsala mit etwa 20 000 Tibetern im Exil. Er wohnt mit Blick den Himalaya in einem bescheidenen Haus. Der prominenteste Flüchtling der Welt wird von indischem Militär und seiner eigenen Leibwache beschützt. Jeden Morgen um halb vier Uhr steht er auf, um vier Stunden lang zu meditieren und in heiligen Schriften zu lesen. Er streift seine Kunststoff-Flip-Flops über, meditiert über Texte auf uralten Palmblättern und läuft 20 Minuten auf dem Laufband seines Fitness-Geräts.
Schon als Kind wurde er im Potala-Palast auf den Thron gesetzt - wie seine 13 Vorgänger. Für Tibeter hat er bereits 13 Leben, 13 Tode und 13 Wiedergeburten erlebt. Der Dalai Lama ist die direkte Fortsetzung einer 500-jährigen Tradition. Seine Botschaft ist eindeutig. Wer ihn nach dem Sinn des Lebens fragt, bekommt zwei Worte zu hören: „Be happy.“ Sei glücklich.