was sich ja auf malle schon andeutete
[url=http://www.spiegel.de/schulspiegel/w…,702372,00.html]Süd-Sieg in Schultest: Wir können alles - sogar Hochdeutsch - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - SchulSPIEGEL[/url]
Baden-Württemberg und Bayern bekommen die besten Noten in Deutsch - und in den Fremdsprachen gleich dazu. Ein neuer Schultest unter Neuntklässlern zeigt ein riesiges Gefälle von Süd nach Nord, West nach Ost. Aber auch in den Siegerländern hapert es. SPIEGEL ONLINE nennt die vier zentralen Probleme.
"Wir können alles - außer Hochdeutsch": Der baden-württembergische Wahlspruch wird in einem neuen nationalen Bildungstest Lügen gestraft. Wie bei den Pisa-Studien können sich das Bundesland im Südwesten und Bayern schon wieder als Gewinner fühlen.
Beide haben im neuen nationalen Neuntklässler-Schultest für Deutsch und Fremdsprachen die Spitzenplätze geholt. Auch Rheinland-Pfalz und Sachsen konnten punkten. Bremen und Brandenburg schnitten durchweg schlecht ab. Dazwischen liegt das Mittelfeld. Der Test zeigt, wie groß die Bildungskluft zwischen den einzelnen Ländern ist. Die Leistungsunterschiede in den getesteten Fächern machen bis zu anderthalb Schuljahre aus. In Deutsch liegen die beiden südlichen Bundesländer klar vor dem Norden. Beim Lese- und Hörverständnis in Englisch sammeln sich alle östlichen Bundesländer in der unteren Tabellenhälfte - mit teils gewaltigem Abstand.
Deutschlands Kultusminister haben die Studie "Sprachliche Kompetenzen im Ländervergleich" beim Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Auftrag gegeben. Geprüft wurden die Leistungen von 41.000 Neuntklässlern in Deutsch und der ersten Fremdsprache. Die Untersuchung beruht erstmals auf den bundesweit entwickelten Bildungsstandards, die beschreiben, was ein Schüler am Ende einer Jahrgangsstufe können soll. Sie löst die Bundesländer-Sonderauswertungen der Pisa-Studien ab; an den Pisa-Studien an sich nimmt Deutschland aber weiter teil - Ergebnisse aus dem jüngsten internationalen Test von 2009 werden im kommenden Dezember veröffentlicht.
Die Ergebnisse der neuen Bildungsstudie - der SPIEGEL-ONLINE-Überblick:
10 Bilder Schülervermessung nach Ländern: Was können deutsche Schüler wo?
1. Sozialauslese gerade in den Siegerländern
Der neue deutsche Schultest offenbart Schwächen in allen Bundesländern. Bildung hängt in Deutschland ohnehin stark von der sozialen Herkunft ab, aber in den vergangenen Jahren ist diese Abhängigkeit eher noch gewachsen. Wer aus einer akademisch geprägten Oberschichtfamilie kommt, hat im Bundesdurchschnitt eine 4,5-mal höhere Chance, aufs Gymnasium zu kommen, als ein Kind aus einer Facharbeiterfamilie.
Besonders ausgeprägt ist dieses soziale Bildungsgefälle ausgerechnet in Bayern und Baden-Württemberg. Dort haben Akademikerkinder rund 6,5-mal so gute Gymnasiumschancen wie Facharbeiterkinder. Kaum besser gelingt schneiden Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ab (zwischen 5,5 und 5,8). Den besten Wert erzielt die Metropole Berlin (1,7).
Bayern und Baden-Württemberg klammern sich an das traditionell dreigliedrige Schulsystem, während andere Länder Real- und Hauptschulen zusammenfassen oder die Grundschulzeit verlängern. Bayern sieht sich nun abermals in dieser Politik bestätigt. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wertete die Studie als Beleg für die "eindeutige Überlegenheit eines intelligent vernetzten Schulsystems" mit Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien.
2. Osten in Fremdsprachen schwach - wegen der Lehrer?
Verblüffend groß ist auch eine andere Kluft - die zwischen westlichen und östlichen Bundesländern bei Fremdsprachen. Im Fach Englisch entsprechen die Abstände zwischen den Ländern etwa dem Unterschied eines ganzen Schuljahrs. Mehr noch als im Lesen und Textverständnis zeigt sich das im Hörverständnis.
Die Studie nennt als Grund die mangelhafte Qualifikation der Lehrer. In den westlichen Bundesländern haben fast alle Lehrer, die Englisch unterrichten, auch Englisch studiert, nämlich zwischen 80 und 100 Prozent. Diese Ausbildung fehlt einem Drittel der Englischlehrer in den östlichen Ländern (mit Ausnahme von Sachsen). Einer der Gründe: Erst Anfang der neunziger Jahre wurde der Englischunterricht dort flächendeckend eingeführt. "Möglicherweise konzentriert sich der Fremdsprachenunterricht in den neuen Ländern noch zu wenig auf die mündliche und zu sehr auf die Schriftsprache, Grammatik und Rechtschreibung", sagt Birgitta Wolff (CDU), Kultusministerin in Sachsen-Anhalt.
Besser sieht es der Kultusministerkonferenz zufolge im Fach Französisch aus - hier bekommen alle Länder bessere Noten als in Deutsch oder Englisch. Das hat allerdings einen klaren Grund. "Schülerinnen und Schüler mit Französisch als erster Fremdsprache stellen mehrheitlich eine sozioökonomisch privilegierte Gruppe ihres Jahrgangs dar", schreiben die Kultusminister. Sprich: Wer sich für Französisch entscheidet, zählt eh schon zu den bevorzugten Schülern.
Dass es große Probleme in der Aus- und Fortbildung von Lehrern gibt, ist den Kultusministern klar. Sie geloben Besserung - aber geschehen ist bisher wenig.
3. Zu wenig Förderung für Einwandererkinder und Risikoschüler
Das Gleiche gilt für die Förderung von Jugendlichen "mit Migrationshintergrund", also aus Einwandererfamilien. Sie hängen mitunter zwei Jahre im Fach Deutsch hinterher. Das betreffe vor allem Kinder aus türkischen Familien, sagte Schulforscher Olaf Köller bei der Vorstellung des Schulvergleichs.
Es bleibt die größte Herausforderung für das deutsche Schulsystem, Schüler mit sprachlichen Schwierigkeiten auf ein höheres Niveau zu hieven und den Anteil der "Risikoschüler" zu senken - so heißen jene, die nach neun oder zehn Jahren nur ein minimales Wissen erreicht haben, ohne Abschluss von der Schule abgehen und kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Gelingen kann das nur mit Frühförderung und individueller Unterstützung. Die Pisa-Studien haben mehrfach gezeigt, dass Staaten wie Finnland, Kanada oder Schweden da viel mehr Erfolg haben.
4. Mädchen hängen die Jungs ab
verblüffend deutlich schlagen in der Untersuchung die Mädchen die Jungen - und zwar in allen Disziplinen, mit wenigen Ausnahmen auch quer durch die Länder. So haben die Mädchen in Deutsch und Englisch im Schnitt einen Wissensvorsprung von einem halben Jahr, sagt Schulforscher Olaf Köller. Bei der Rechtschreibung sind sie den Jungen sogar ein ganzes Jahr voraus. Mädchen besuchen auch häufiger Gymnasien. Jungen sollten daher in "geschlechtersensiblen Unterrichtskonzepten" gefördert werden, teilten die Kultusminister mit.
Die Reaktionen
Der deutsche Pisa-Forscher Jürgen Baumert hat angesichts der Untersuchung eine "konsequente Frühförderung" und individuelle Hilfen für schwache Schüler verlangt. Kinder aus Migrantenfamilien und aus bildungsfernen Schichten bräuchten mehr Unterstützung, sagte er dem "Tagesspiegel". Die Schultests der vergangenen zehn Jahre hätten einen "Mentalitätswandel" in Politik und Öffentlichkeit bewirkt: "Die Aufmerksamkeit für Bildung ist größer und differenzierter geworden, die deutsche Überheblichkeit hat einen Dämpfer erhalten."
Die Bildungsgewerkschaft GEW wirft den Kultusministern vor, sich zu wenig um die Lesekompetenz gekümmert zu haben. Zwar gebe es viele Projekte, Literaturhinweise und Förderkonzepte in den Bundesländern - doch kaum etwas geschehe mit System. Drei Viertel der Pädagogen würden diese Konzepte nur vom Hörensagen kennen, sagt Marianne Demmer vom GEW-Bundesvorstand: "Es blühen tausend Blumen, aber bei Investitionen in die Lehrerfortbildung ist Fehlanzeige."