Interessant :
Hier ein weiterer Artikel aus der FAZ zum selben Thema.
Die Erkenntnisse stimmen mich wirklich positiv.
NEUE STUDIE LÄSST HOFFEN: Hält der Immunschutz lange genug an?
Um diese Frage dreht sich alles: Wie lange sind Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren oder die geimpft sind, vor dem Virus geschützt? Amerikanische Forscher könnten nun eine Antwort gefunden haben.
Joachim Müller-Jung
Überall und immer wieder spielt es die zentrale Rolle. Warum etwa die einen Infizierten gar nicht und andere so schwer erkranken – die Antwort liegt mutmaßlich nicht im Virus, sondern in der Körperabwehr. Bei vielen, wahrscheinlich den meisten schweren und tödlichen Covid-19-Verläufen entwickelt sich eine fatale Fehlregulation des Immunsystems. Gefährliche Entzündungen sind die Folge. Auch bei den Langzeitkranken nach überstandener Infektion dürften Immunreaktionen eine entscheidende Rolle spielen. Die genauen Zusammenhänge sind zwar noch nicht geklärt. Aber auch da kommen die Forscher voran. Ganz am Ende, wenn es um die Bewältigung der Erkrankung selbst geht, und ganz am Anfang einer Infektion, sind noch die meisten Fragen offen. Warum Kinder beispielsweise fast nie schwer erkranken und selten Symptome entwickeln, bleibt rätselhaft. Eine aktuelle Studie von australischen Klinikern in der Zeitschrift „Nature Communications“, in der eine fünfköpfige Familie engmaschig immunologisch untersucht wurde, liefert da zumindest wertvolle Hinweise.
Die Eltern hatten sich nacheinander angesteckt. Ausgangspunkt war eine Hochzeitsfeier. Die drei kleinen Kinder hatten sich daraufhin auch infiziert. Alle zwei bis drei Tage wurden Blut-, Urin- und Speichelproben genommen. Allerdings ließ sich bei den Kindern zu keinem Zeitpunkt das Virus mit einem PCR-Test nachweisen. Bei den beiden älteren diagnostizierten die Ärzte des Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne immerhin zwar leichte Erkältungssymptome wie bei den Eltern auch. Aber sie blieben wie der Jüngste negativ.
Demgegenüber hatte das Immunsystem der drei Kinder die Viren sehr wohl registriert. Immunglobuline vom Typ A, der vor allem im Speichel zu finden ist, und später auch andere Antikörper wurden in hohen Konzentrationen gemessen. Am stärksten reagierten dabei die Antikörper produzierenden B-Zellen des Jüngsten, der die wenigsten Krankheitsanzeichen zeigte. Für die Forscher ist das ein Hinweis, dass bei Kindern die extrem gut funktionierende Antikörperproduktion in den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Rraums – möglicherweise angeregt und trainiert durch vorherige Infektionen – die entscheidende Hürde für das Virus ist. Wie genau allerdings die Viren „kurzgehalten“ werden, ist damit längst nicht abschließend geklärt.
Noch mehr Fragen hatten in der Vergangenheit die sehr unterschiedlichen Immunreaktionen von Erwachsenen aufgeworfen. Immer wieder gab es in den ersten klinischen Studien im Frühjahr Hinweise, wonach die genesenen Patienten und auch solche mit milden Covid-19-Verläufen zwar Antikörper produzieren, die den Erreger neutralisieren, sprich: eliminieren. Aber die Antikörper verschwanden offenbar bei vielen auch wenige Wochen bis Monate nach überstandener Infektion wieder. Sogar Reinfektionen wurden gemeldet. Infizierte haben sich also zweimal im Abstand von Monaten wieder angesteckt. Das alles hat nicht nur Ärzte, Patienten und Politiker verunsichert, es hat auch die Frage aufgeworfen, wie lange der von Impfstoffen erzeugte Immunschutz wohl anhalten würde. Praktisch die gesamten Pandemie-Aussichten hingen von der Antwort auf diese Frage ab: Reicht die Immunantwort des Körpers von Covid-19-Überlebenden und später den Geimpften aus, um die Gefahr länger zu bannen?
Bei 90 Prozent war der Immunschutz ausreichend
In einer amerikanischen Studie zweier hochangesehener Forschungsinstitute könnte nun eine beruhigende Antwort gefunden worden sein. Noch nicht endgültig, denn der wissenschaftliche Aufsatz ist noch nicht fachgerecht begutachtet und veröffentlicht. Doch der auf dem Preprint-Server „bioRxiv“ plazierte Bericht über die immunologische Reaktion von 185 Corona-Infizierten liefert die mit Abstand aussagekräftigsten Langzeitdaten bisher.
Zu 94,5 Prozent wirksam Auch Moderna meldet Erfolg mit Corona-Impfstoff
Video: Reuters, Bild: dpa
Schon das breite Spektrum der immunologischen Tests und Probanden lässt hoffen. Untersucht wurden positiv getestete Männer und Frauen, die teilweise niemals Symptome spürten, bis hin zu Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankten und nach Wochen erst aus der Klinik entlassen wurden. Unter der Federführung des kalifornischen Immunologen Shane Crotty vom La Jolla Institute for Immunology und Kollegen von der Ostküste an der Icahn School of Medicine, die zur berühmten Mount-Sinai-Klinik zählt, wurden Patienten aus unterschiedlichen Regionen unterschiedlichen Alters rekrutiert. Tatsächlich waren bei den Tests die Immunreaktionen wie erwartet sehr unterschiedlich ausgefallen.
Aber in einem entscheidenden Punkt konnten die Wissenschaftler Entwarnung geben: Der Immunschutz durch passende Antikörper, der wenige Wochen nach der Ansteckung auf dem Höhepunkt ist, weil sich dann sehr viele sogenannte B-Zellen gebildet haben, war in gut 90 Prozent der untersuchten Corona-Infizierten ausreichend – und zwar Monate nach der Ansteckung. Verglichen mit den Antikörper-Mengen, die in Vorversuchen mit Affen gemessen und damals als neutralisierend und damit als ausreichend gewertet worden waren, hat man bei vielen Probanden sogar zwanzigmal so viele Antikörper gemessen. Und nicht nur das: Bei drei Dutzend Patienten aus der ersten Corona-Welle, bei denen nach einem halben oder dreiviertel Jahr kein Virus mehr nachweisbar ist, wurden nicht nur ausreichend viele B-Gedächtniszellen nachgewiesen – sie vermehrten sich offenbar sogar bei dem einen oder anderen mit der Zeit.
Im Idealfall könnte die Immunität Jahre anhalten
Gedächtniszellen sind deshalb so wichtig, weil sie gewissermaßen die stille Reserve der Körperabwehr bilden, wenn erst einmal das Virus eliminiert ist. Infiziert man sich noch mal neu, vermehren sich diese Gedächtniszellen und liefern sehr schnell einen Nachschub an den speziell auf Sars-CoV-2 maßgeschneiderten Antikörpern nach. Die Immunologen halten es für möglich, dass die so erzeugte Immunität im Idealfall sogar Jahre anhalten kann. Im Blut von Überlebenden der Spanischen Grippe, die sich als Kind angesteckt hatten, waren B-Gedächtniszellen, die gegen das spezielle Influenzavirus gerichtet sind, noch nach mehr als 80 Jahren nachweisbar.
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Ein immunologisches Gedächtnis bildet sich nicht nur bei den B-Zellen, sondern auch den anderen antiviralen weißen Blutkörperchen, den T-Zellen. Sie spüren infizierte Körperzellen auf und zerstören sie. Einige T-Zellen helfen außerdem den B-Zellen bei der Erkennung der Virenpartikel. Damit ist eine weitere Hoffnung erfüllt, die durch einige andere Studien – inklusive der Impfstoff-Studien – geweckt worden ist: dass das Virus nämlich sowohl durch Antikörper als auch durch T-Zellen attackiert wird, an zwei Fronten also.
Lediglich bei einem kleinen Teil der Menschen wird wohl das eigene Immunsystem überfordert sein. Für sie bleibt jedoch die Chance, dass dann Medikamente – künstliche, maßgeschneiderte Antikörper, wie sie Donald Trump erhalten hatte – oder die Impfstoffe helfen. Denn die durch Vakzine ausgelöste Impfreaktion fällt meist deutlich stärker aus als eine natürliche Immunreaktion.