... meine Gedanken zum "modernen" Fußball am (leider in letzten Monaten) unerfreulichen Beispiel als Alemannia-Fan ...
Wenn man für eine relativ billige Karte für ein beliebiges Bundesligaspiel in den meisten Stadien schon um die 30 Euro berappen muss, dann kann man schon mal ins Grübeln kommen. In England, dem Mutterland der Fankultur sind mittlerweile Preise in dreifacher Höhe üblich. Kommt das auch zu uns? Sind wir Fans eigentlich total bescheuert?
Ist diese Preisspirale nach oben gerechtfertigt oder ist das der maßlose Ausverkauf eines Volkssports?
Heute werden zu jeder Gelegenheit lautstarke Stücke aus der Kategorie „Best of Apres-Ski- und Ballermann-Hits“ eingespielt, so dass auch der debilste Fußballzuschauer weiß wann er seinen Schal schleudern, die vom Verein verteilten Tröten tröten oder die vom Sponsor geschenkten Fähnchen schwenken darf. Nach dieser Glanzleistung sinkt er wieder zufrieden in seinen Schalensitz und sagt zu seinem Nachbarn: „Ist ja wieder ein Hexenkessel hier, klar dass wir die besten Fans der Welt sind.“ Das er beim Vereinslied gerade noch den Refrain mitsingen kann, fällt kaum auf, eher verwundert werden die angeguckt, die den ganzen Text auswendig können. Zehn Minuten nach Anpfiff der erste Fehlpass, da pfeifen schon die ersten, auch unser Fan nickt zustimmend, für 40 Euro Eintritt will er so was nicht sehen. Außerdem könnte der Verein mal etwas tiefer in die Transfertaschen greifen, in der ersten Bundesliga hat man auch das Recht auf ein paar Stars, auch in der eigenen Mannschaft. Die meisten kennt man ja schon aus der zweiten Liga, das macht keinen Spaß. Und jetzt singen die schon wieder „Steht auf wenn ihr Aachener seid.“, na ja, kann er wenigstens Montag im Büro von der tollen Stadionatmosphäre erzählen, bei der er mitgemacht hat. Wartet mal ab, im neuen Stadion, sind sie in der Mehrzahl, da heißt es dann: Hinsetzen!
Sieht so die Zukunft in den Fußballstadien (auch bei uns) aus? Werden wir noch mal Fans erleben, die sich eine Stunde vor Spielbeginn schon einsingen und den Mannschaften beim Aufwärmen einen Vorgeschmack aufs Spiel bieten? Wird die Musik noch mal leiser gedreht um dies zu ermöglichen oder wird sie zum Teil noch lauter, damit man ja nicht die Reaktionen der Ränge im Fernsehen mitbekommt, wenn mal wieder gegen ein „super“ Event oder ein „tolles“ Lied gepfiffen wird. Sind die wichtiger, die sich jedes Jahr ein neues Trikot, einen Schal, einen Wimpel, eine Tasse, einen String, eine Kappe, einen Kalender, ei…. oder die, die auch noch auf der Tribüne stehen, wenn die Zukunft nicht mehr ganz so rosig ausschaut. Wer macht die Stimmung; der Fan, der von sich aus Lieder oder Schlachtrufe anstimmt oder der, der wie oben beschrieben, seinen Schal auf Kommando schwenkt? Natürlich kann man auch beides machen, ich will hier auch gar nichts gegen die persönlichen Fanmotivationen des Einzelnen sagen. Wohin die Entwicklung führen kann, sieht man wenn man in die Stadien vieler anderer Erstligisten fährt oder ganz extrem bei den Spielen der NFL Europe (American Football ;-).
Wer erinnert sich noch an die mühselig in Eigenarbeit hergestellten Säcke voll Papierschnipsel, die bei Anpfiff für südamerikanische Stimmung auf dem Tivoli sorgten? Woher kommen noch heute gesungene Lieder und Schlachtrufe. Warum wird in Funk und Fernsehen wenn man Werbung für Fußball machen will, Fotos und Berichte von Fankuven in bengalisches Feuer gehüllt gezeigt, von selbstgemachte Blockfahnen, warum werden Fans gezeigt, die selber singen und nicht wie es heute üblich ist das Lied vom Band eingespielt? Sind die gemeinen Fußballfans, die sich eher für den Verein als für das Spiel interessieren eine vom Ausstreben bedrohte Spezies, werden wir abgelöst vom weichgespülten, familienfreundlichen Konsumenten, der glücklich ist ein paar Stunden vollgedröhnt zu werden, dafür den Platz vor dem Fernseher verlassen muss und deshalb denkt es wäre was anderes, dem es aber auch oft egal ist wer da spielt, hauptsache es wird gut gespielt.
Auch ich bin nicht unbedingt ein Freund von direkt neben mir gezündeten Rauchbomben oder Bengalos, aber ich frage mich immer warum mit zweierlei Maß gemessen wird. Die eigenen kreativen Fans werden als Lockmittel für neue Fans und das Fernsehen benutzt, aber wenn sie dann immer noch kreativ sind, kann man sie nicht mehr gebrauchen. Während sie nämlich fleißig im Fanhaus Transparente und Doppelhalter bemalen können sie nicht im Fanshop konsumieren.