Stimmt - Wrocław heißt es ganz genau (mit Strich durchs "l")
________________________________________________
17.04.2007 EM 2012
Ungarn und Kroaten als lachende Dritte?
Die vielleicht unscheinbarste EM-Bewerbung kommt aus Ungarn und Kroatien. Große Skandale – wie vor allem in Italien – gab es nicht, andererseits gelang es der Kandidatur nicht, sich qualitativ von seinen Konkurrenten abzusetzen.
Nach Ansicht vieler Experten könnten die größten Vorteile der ungarisch-kroatischen Bewerbung in den Problemen speziell in Italien und der Ukraine liegen. Auch Ungarn und Kroatien sind nicht frei von Zuschauerausschreitungen oder politischen Unwägbarkeiten, jedoch scheinen diese verglichen mit den Schwierigkeiten bei der Konkurrenz nicht so gravierend. Wesentlich größere Sorgen bereitet der generelle Zustand des Fußballs in Ungarn. Im Land eines Ferenc Puskas oder Nandor Hidegkuti wird nur mehr international drittklassiger Fußball geboten, die Nationalmannschaft war zuletzt bei der WM 1986 bei einem Großereignis vertreten.
Überdacht und modernisiert ein möglicher Finalstandort: Das Ferenc-Puskas-Stadion in Budapest.
Bild: EURO 2012 - MAGYARORSZÁG / HORVÁTORSZÁG
Auch die geringen Zuschauerzahlen in Ungarns Beletage sowie das Interesse der Bevölkerung an einer EM im eigenen Land geben zu Denken. Nur 45 Prozent der Magyaren unterstützen die Bewerbung, der bei weitem schwächste Wert aller Kandidaten. Allerdings sieht das ungarische Organisationskomitee in einem möglichen Zuschlag die Chance, die Fußballbegeisterung im Land neu zu entfachen. Die Ungarn bewerben sich deshalb nun schon zum dritten Mal in Folge um die Ausrichtung des wichtigsten kontinentalen Wettbewerbs, 2004 scheiterten sie mit einer gemeinsamen Kandidatur mit Österreich an Portugal, 2008 probierten es die Magyaren alleine, mussten aber Österreich und der Schweiz den Vortritt lassen.
In Kroatien unterstützen offiziell satte 89 Prozent der Bevölkerung das Ansinnen, jedoch mehren sich auch kritische Stimmen, die die aus Deutschland bekannten Repressionen gegenüber den Fans fürchten – aus Ungarn wird dergleichen ebenfalls berichtet - und das Land Kroatien prinzipiell als zu klein erachten, ein Turnier solcher Größenordnung zu organisieren.
Als Tourismusland sieht sich Kroatien dagegen schon jetzt bestens für die Ausrichtung einer EM gerüstet, verfügt es doch mit etwa 900.000 Hotelbetten über eine ausreichende Infrastruktur. Auch die erst in den vergangenen Jahren fertig gestellten modernen Autobahnen und Flughäfen sprechen für das Land. So sind mit Zagreb und Split zwei Spielorte seit 2005 über die A1 direkt miteinander verbunden. Die Hauptstadt Zagreb und die touristisch interessanten Küstenstädte Rijeka und Split verfügen über adäquate Verkehrsanbindung und Hotelkapazitäten, dagegen fällt das als vierter Spielort vorgesehene Osijek deutlich ab.
Das Stadion Maksimir in Zagreb könnte Austragungsort des EM-Eröffnungsspiels sein.
BIld: Branko Kincl
Weitere 750 Millionen Euro will die kroatische Regierung in das Projekt EM 2012 stecken, Kosten die sich durch den volkswirtschaftlichen Effekt einer Europameisterschaft problemlos amortisieren sollten. „Wir würden lieber den EM-Zuschlag erhalten als mit Kroatien Weltmeister werden“, sagt Vlatko Markovic, Präsident des kroatischen Fußballverbandes, der wie seine Landslaute einen massiven Boom für die kroatische Tourismusbranche erwartet.
In Sachen Verkehrsinfrastruktur ist auch Ungarn relativ gut ausgestattet. Bis 2012 sollen noch die Verlängerung der M35 von Budapest über Nyiregyhaza nach Debrecen und die M0, ein Autobahnring um Budapest fertig gestellt werden. Die Hotelkapazität entspricht derzeit allein in Budapest den Anforderungen der UEFA. In Györ, Szekesfehervar und Debrecen besteht diesbezüglich Nachholbedarf. Ungarn plant seinerseits Investitionen von 648 Millionen Euro, muss jedoch befürchten, dass die EM-kritische Bevölkerung, gegen derartige finanzielle Zusatzbelastungen des hoch verschuldeten Staates rebellieren wird. Ein Vorteil der Bewerbung könnte generell die geringe Distanz zwischen den Spielorten sein, zwischen Split an der Adria und Debrecen im Osten Ungarns liegen noch nicht einmal 1.000 Kilometer.
Unabhängig von der EM-Entscheidung entsteht in Györ ein neues Fußballstadion für 35.000 Zuschauer.
Bild: EURO 2012 - MAGYARORSZÁG / HORVÁTORSZÁG
Umfassende Modernisierungsmaßnahmen erwarten in jedem Fall die für die EM vorgesehenen Stadien. In Ungarn sind die Umbaumaßnahmen an den Stadien in Györ und Szekesfehervar bereits im vollen Gange, beide Stadien werden mit etwa 35.000 Sitzplätzen ausgestattet und sollen jeweils drei Gruppenspiele erhalten. Ein kompletter Neubau in Debrecen sowie Sanierung und Überdachung des für das Finale vorgesehenen Ferenc-Puskas-Stadions in Budapest hängen vom UEFA-Entscheid ab.
Im Maksimir in Zagreb soll das Eröffnungsspiel steigen, derzeit wird das Leichtathletikstadion in eine reine Fußballarena verwandelt, nach Abschluss der Bauarbeiten sollen etwa 51.000 Zuschauer in die Heimat des kroatischen Spitzenclubs Dinamo Zagreb passen. Weiterhin sind umfangreiche Ausbaumaßnahmen an den Stadien in Osijek und Split geplant, in Rijeka soll ein Neubau entstehen. (Stadionwelt, 17.04.07)