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TV-Pläne der Uefa ärgern Euro-08-Gastgeber
Juristen halten die Absicht der Uefa, bei Spielübertragungen in Gaststätten Kasse zu machen, für nicht umsetzbar. Die Fussballfunktionäre gehen über die Bücher.
Von Thomas Knellwolf
Schweizweit herrscht Ärger über die Gebührenpläne der Uefa für die Fussball-Europameisterschaft im kommenden Jahr. Wirte äusserten sich gestern landauf, landab empört über das Ansinnen des Europäischen Fussballverbands, bei ihnen die hohle Hand zu machen. Der Branchenverband Gastrosuisse bezeichnete entsprechende Sonderabgaben während der Euro 08 als «ungerechtfertigt und unverhältnismässig».
Auch die Austragungsorte meldeten sich mehr als deutlich zu Wort. Zürichs Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber bezeichnete Fussball als ein «öffentliches Gut». Weiter sagte der oberste Zürcher Euro-Gastgeber: «Es darf nicht sein, dass die Uefa in den Beizen abkassieren geht.» Und weiter: «Wenn die das machen, kann ich nur Asterix zitieren: Die spinnen, die Römer.»
Gastgeber nicht informiert
Ledergerber erfuhr aus dem gestrigen TA von den Absichten der Uefa. Und dies, obwohl er vor weniger als einer Woche mit den Turnier-Organisatoren der Uefa zusammenkam, um die so genannten Host-City-Verträge feierlich zu unterzeichnen.
Ebenfalls unwissend mit am Tisch in Zürich sass der Baselbieter Regierungspräsident Urs Wüthrich. Er machte gestern seinem Ärger mit einem offenen Brief an die Verbandsoberen am Genfersee Luft. «Es kann nicht angehen, dass eine solche Regelung durch die Uefa ohne Rücksprache mit den Host Cities einseitig verfügt wird», schrieb Wüthrich nach Nyon. «Dies würde dem partnerschaftlichen Geist der bisherigen Zusammenarbeit klar widersprechen.» Der Baselbieter Sportdirektor verlangt eine dringliche Aussprache.
Die Uefa beabsichtigt, pro normalen Fernseher bei Gaststätten 75 Franken für das Turnier zu kassieren; pro grösseren Bildschirm ab einer Diagonale von 1,5 bis 3 Metern 150 Franken. Für Grossleinwände will sie 15 Franken pro Quadratmeter und Spiel haben, womit die Kosten in die Tausenden von Franken gehen können.
Gemäss mehreren verlässlichen Quellen überarbeitet die Uefa nun ihre entsprechenden Richtlinien - nicht zuletzt auf Grund des öffentlichen Drucks. Innerhalb der Organisation gebe es besonnene Köpfe, welche die ursprünglichen Pläne zurücknehmen wollen, sagt einer, der das interne Vorgehen kennt.
«Keine juristische Grundlage»
Für einen Rückzug sprechen auch rechtliche Gründe. In seinem geharnischten Schreiben führt Regierungspräsident Wüthrich aus, dass dem Vorgehen der Uefa, wie es publik wurde, die rechtliche Grundlage fehle. Das sehen Juristen, die sich im Urheberrecht auskennen, genau gleich. So sagt der Berner Euro-08-Delegierte und Rechtsanwalt Marcel Brülhart: «Ich sehe keine juristische Grundlage für Gebühren der Uefa für normale Fernseher bei Wirten. Mittlerweile weiss die Uefa selbst, dass ihre Pläne mehr als heikel sind.»
Gemäss Brülhart besteht auch beim Public Viewing mit Grossbildschirmen ein juristischer Graubereich: «Sogar bei Bildschirmen mit über drei Meter Diagonale ist es rechtlich höchst umstritten, wer Gebühren erheben darf», sagt Brülhart.
Der Zürcher Euro-08-Delegierte Daniel Rupf verspricht, «alles daran zu setzen, dass entsprechende Ideen nicht umgesetzt werden». Der ehemalige Profi- und Alternativfussballer sagt: «Die Beizen in unserer Stadt sind seit Jahrzehnten für die gute Stimmung bei sportlichen Grossanlässen besorgt. Dies soll insbesondere bei der Euro 08 so sein.» Rupf fragt sich auch, wie die Uefa ihre Pläne umsetzen möchte: «Das lässt sich kaum kontrollieren.»
Rupfs Berner Kollege Brülhart versucht schon jetzt, die Wirte zu beruhigen: «Ich gehe davon aus, dass Wirte nichts an die Uefa bezahlen müssen, wenn sie keine Grossleinwände aufstellen.» Auch die Urheberrechtsorganisation Suisa sieht schwarz für die Uefa-Pläne. «Im Rahmen des Empfangs von Sendungen in Gaststätten kann nur die Suisa Entschädigungen geltend machen», sagt der Jurist und Suisa-Direktor Andreas Wegelin. Er verweist auf das Urheberrechtsgesetzes, wo im Artikel 22 steht: «Die Rechte, gesendete Werke zeitgleich und unverändert wahrnehmbar zu machen oder im Rahmen der Weiterleitung eines Sendeprogrammes weiterzusenden, können nur über zugelassene Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.»
Auch die SRG winkt ab
Das bedeutet für die Euro 08: Wer als Wirt den Fernseher für Spielübertragungen einschaltet, muss neben den Empfangsgebühren bei der Billag nur Urhebrechtsabgaben an die Suisa entrichten. Diese Entschädigungen kassiert die Billag für die Suisa ein - zum monatlichen Tarif 3a von 16.25 Franken. Damit sind auch die Ansprüche des Schweizer Fernsehens befriedigt, wie SRG-Sprecher Daniel Steiner bestätigt.
Von der Uefa nimmt nach wie vor niemand Stellung zu den Plänen. Der Verband lässt nur verlauten: «Wir informieren in den nächsten zwei Wochen - auf Grund des ‹Tages-Anzeiger›-Artikels vielleicht etwas früher.»